Im Leiden die unendliche Liebe Gottes erfahren

17.3. 2021 – https://emmanuel.info/dans-lepreuve-jai-vecu-un-coeur-a-coeur-avec-le-seigneur/
© Deutsche Übersetzung durch Gemeinschaft Emmanuel Österreich

Erkrankt an einer schweren Form von Corona hat Jean-Luc Moens während seines Krankenhausaufenthaltes wahrhafte Einkehrtage mit Gott gelebt, der im Herzen des Leidens gegenwärtig war.
Nachdem er 30 Jahre für die Gemeinschaft Emmanuel gearbeitet hatte, ist Jean-Luc zum Moderator von CHARIS, dem Internationalen Dienst der Charismatischen Erneuerung ernannt worden. Er lebt in Rom und Belgien, seinem Heimatland, ist verheiratet, Familienvater und Großvater. Uns gegenüber kommt er auf die Prüfungen zu sprechen, die seine Familie und er in diesen letzten Monaten durchlebt haben.
(Anmerkung: Am 27.3.2021 hat Jean-Luc nach Rücksprache mit dem Papst seinen Rücktritt bei CHARIS erklärt.)

Jean-Luc, du bist Moderator von CHARIS: Kannst du uns erklären, was das ist?

CHARIS (charis.international) ist der neue und einzige Dienst für die charismatische Erneuerung weltweit, gewünscht von Papst Franziskus. Die Intuition des Papstes ist, dass die Erneuerungsbewegung ein Strom der Gnade ist, um die ganze Kirche zu beleben.

CHARIS hat drei Missionen:

  1. die Ausgießung des Heiligen Geistes über die ganze Welt zu verbreiten
  2. an der Einheit der Christen zu arbeiten, denn die Ausgießung des Geistes hat ökumenische Wurzeln
  3. den Dienst an den Armen zu verbreiten

Zuvor hatte ich 30 Jahre für die Gemeinschaft gearbeitet. Zu meiner großen Überraschung habe ich eines Tages einen Anruf aus Rom bekommen, in dem ich gebeten wurde, der Moderator von CHARIS zu werden. Mit meiner Frau haben wir sehr viel gebetet, um zu unterscheiden, bevor wir unsere Antwort gegeben haben. Wir waren bereit, Belgien zu verlassen und uns in Rom niederzulassen.

Aber in diesem Moment hatte deine Tochter ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem, kannst du uns davon erzählen?

Im Januar 2019 hatte unsere Tochter eine Lungenembolie, gefolgt von einer Hirnblutung. Vierzehn Tage später hat ihr Mann sie verlassen. Die beiden Kinder sind bei ihrem Vater geblieben. Unsere Tochter lag ein Jahr im Krankenhaus und, als sie herauskam, hat sie keinen Ort gefunden, der bereit war, sie aufzunehmen; so sind nur noch wir ihr geblieben, also haben wir unser Haus umgebaut und sie ist gekommen, um bei uns zu leben.

Unsere Tochter ist immer noch gelähmt in beiden Beinen und am linken Arm. Aber im Gegenzug hat sie all ihre kognitiven Fähigkeiten und ihren Verstand behalten.
Durch diesen Unfall hat unsere Tochter alles verloren: ihre Arbeit, ihr Haus, den Gebrauch ihres Körpers, ihren Mann und ihre Kinder.
Und wenn man sie fragt, was am schwierigsten war, dann antwortet sie: dass mein Mann mich verlassen hat.

Der Dienst, um den die Kirche uns gebeten hat, fing also mit einer großen Prüfung an, die wir wirklich in dem Glauben an den Sieg Gottes leben. Wir wissen nicht, wie dieser Sieg sich zeigen wird, aber wir vertrauen Gott, dem Herrn.

Wie geht es deiner Tochter heute?
Sie hat außerordentlichen Mut, denn sie beklagt sich nie, denn obwohl sie ihre Beine nicht gebrauchen kann, leidet sie physisch sehr. Es bleibt eine komplizierte Situation, aber sie hat den Glauben und sie bleibt Gott nahe.

Du hattest eine schwere Form von Corona und du warst fünf Wochen im Krankenhaus.
Wie hast du diese Prüfung erlebt?

Jean-Luc Moens

Ich habe es als echte Einkehrtage, ein Herz an Herz mit Gott, dem Herrn gelebt. Ich war in einem Zimmer, ohne Besuch, eine Sauerstoffmaske hinderte mich daran zu telefonieren, also isoliert von der Welt. Es war Einsamkeit und Stille. Ich habe viel gebetet. Ich habe die Bibel auf meinem Smartphone gelesen, das ganze Neue Testament und einen Teil des Alten. Das erstaunliche daran, diese fünf Wochen gehören zu den Schönsten meines Lebens. Ich habe die Erfahrung der Nähe Gottes gemacht. Es ist schwierig das zusammenzufassen, was ich erlebt habe.
Aber ich werde es in drei Punkten versuchen.

  • Ich habe die Erfahrung seiner persönlichen und unendlichen Liebe für mich gemacht.

Mehrmals hatte ich die Gabe der Tränen, weil ich mich als wirklich geliebt von Gott erfahren durfte, weit über all das hinaus, was ich mir vorstellen konnte.

Als ich ins Krankenhaus kam hat der Krankenhausseelsorger mir dieses prophetische Wort gesagt: Gott lässt dich dein gesamtes Leben neu durchleben. Und das ist geschehen. Ich habe gesehen, wie sehr der Herr mich in all den verschiedenen Etappen meines Lebens, einschließlich der Prüfungen, begleitet und gesegnet hat. Um das gut zu verstehen, wurde ich von den Worten Jesu an Gabrielle Bossis begleitet, eine französische Mystikerin des 20. Jahrhunderts. Ich habe verstanden, dass seine Liebe ganz gratis ist. Ich muss nichts machen, um sie zu verdienen. Ich habe verstanden, dass ich immer versuchte, Gott zu beweisen, dass ich es wert bin, geliebt zu werden. Was für ein Hochmut! Was für ein Stolz! Jesus hat zu Gabrielle gesagt: Man glaubt nicht an meine Liebe aufgrund einer falschen Demut. Nicht weil ihr euch als würdig erweist liebe ich euch, sondern weil ihr meine armen Kinder, mein armen Abbilder seid, und weil mein Herz am meisten liebt.

Alles ist eine Frage des Vertrauens und der Hingabe: „Schau wie kostbar deine Schwäche sein kann, denn sie zieht mich an: Ich weiß, dass du schwach bist. Ich brauche nicht deine Stärke, sondern deine Hingabe.“

Ich habe entdeckt, dass Gott die Initiative hat. Er komplettiert meine armen Handlungen. Ein Wort Jesu an Gabrielle hat mich umgeworfen: „Liebe mich wie du es kannst, ich vollende.“ Dieses Wort war während meiner Einkehrtage wie ein Licht, eine intensive Freude, eine Befreiung und Heilung. Wie oft habe ich dem Herrn mein Leid geklagt, dass ich ihn nicht genug liebe, dass ich nicht weiß, wie ich in der Liebe wachsen kann, … es waren all diese Skrupel! Und dann antwortet mir der Herr: „Mach‘ Dir keine Sorgen, liebe mich so, wie du es kannst, ich mache den Rest.“ Was für eine Liebe in diesen Worten! Aber auch was für eine Heilung!

  • Wir sind dazu bestimmt das Angesicht Christi widerzuspiegeln.

Als ich im Neuen Testament gelesen habe, wurde ich erneut berührt von Kapitel 8 des Römerbriefes: Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten. Dieses Wort stützt uns in der Prüfung, die wir in der Familie leben. Dieses Wort ist auch der Schlüssel der Lektüre eines kleinen Büchleins, das ich über das Leiden geschrieben habe: Die Macht des Kreuzes – die verrückte Liebe Gottes (Edition de l‘ Emmanuel 2014). Aber als ich die ganze Stelle gelesen habe, habe ich verstanden, dass das Gute, für das wir bestimmt sind, das Widerspiegeln des Abbildes des Sohnes ist, damit er „der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei“. Ich bin berufen, Bruder Jesu zu sein, der für uns am Kreuz gestorben ist. Die Vorherbestimmung zur Heiligkeit beinhaltet auch das Kreuz. Wir wurden geschaffen, um heilig zu werden. Es hat mich umgehauen zu entdecken, dass dieser Ruf für zwei ist. So wie Jesus zu Gabrielle sagt: „Nichts soll dein Vertrauen aufhalten! Übergib mir immer wieder deine Sehnsucht nach der Heiligkeit. Du bist auf der Erde, um heilig zu werden. Ich bin gekommen, damit ihr heilig seid. Wenn also deine Sehnsucht meiner Sehnsucht begegnet, machen wir dann nicht gemeinsame Sache? Aber du musst an meine Liebe glauben.“ All das wusste ich seit langer Zeit vom Kopf her. Auf meinem Krankenhausbett aber ist es vom Kopf ins Herz gekommen! Ich habe verstanden, dass Jesus mich zur Heiligkeit in alle Ewigkeit beruft, er wollte mich heilig, noch mehr, als ich selbst es wollte… Und er hat Mittel das zu realisieren, wenn ich ihm vertraue und wenn ich mich vollkommen an seine Liebe hingeben. „Ich brauche nicht deine Stärke, sondern deine Hingabe.“

  •  Maria formt uns nach dem Abbild Jesu

Als Mitglied der Gemeinschaft Emmanuel weihe ich mich seit 30 Jahren jeden Tag der Jungfrau Maria mit den Worten des Weihegebetes von Ludwig Maria Grignion de Montfort. Ich habe die Abhandlung über die vollkommene Andacht zu Maria (das Goldene Buch) wieder gelesen, die ich in meinem Computer gespeichert habe. Ich habe verstanden, dass die Bestimmung, ein Bruder Jesu zu werden, sich in meiner Weihe durch Maria realisiert, wo ich in den Schoß Mariens eintrete. Brüder/Geschwister sind die, die dem gleichen Leib entstammen. In dem Leib Mariens werde ich nach dem Bild Jesu, der für mich zum Bruder wird, geformt, um heilig zu werden. Ich habe also verstanden, wir sind nicht nur zwei, die an meiner Heiligkeit arbeiten, sondern drei! Es gibt Jesus und mich, aber auch Maria. Wiederum war das nicht nur eine intellektuelle Entdeckung. Es ist wie eine spirituelle Wahrheit, die sich meinem Herzen aufgedrängt hat. Ich habe vor Dankbarkeit geweint.

Nun, es ist wirklich schwierig eine spirituelle Erfahrung zusammen zu fassen. Ich kann nur sagen, dass diese fünf Wochen im Krankenhaus eine Zeit waren, wo ich den Eindruck hatte, dass Jesus mich an der Hand nimmt und mich jeden Tag neue Wunder seiner Liebe in meinem Leben und zu meiner Berufung entdecken lässt. Jedes Mal, wenn man mir ankündigte, dass ich das Krankenhaus noch nicht verlassen darf, habe ich verstanden, dass Gott mir noch Dinge zu sagen hatte, und ich irrte mich nicht.

Beitragsfoto: (c) Photo by 30daysreplay Germany on Unsplash